"Du brauchst keine Angst zu haben.
Wir beschützen Dich."

Johanna Leitenstorfer geb. Petz, Jahrgang 1926, wohnte damals im Wohn- und Geschäftshaus Kloster Indersdorf mit ihrer Mutter Centa Petz, Jahrgang 1896 und ihrer Schwester Elisabeth Petz, Jahrgang 1932. Sie erzählt: 

„Die SS-Leute, die im Gasthof Funk einquartiert waren, zogen, glaube ich, am 27. April 1945 ab. Sie kamen gelegentlich zu uns, um zu telefonieren, da der Gasthof kein Telefon hatte. Am 28. April, nachdem wir zwischen fünf und sechs Uhr nachmittags Schüsse gehört hatten, sperrten wir den Laden zu. Es hieß, die Amerikaner sind schon im Markt. Wir hängten ein weißes Bettuch ans Fenster (über das Fensterbrett), und gingen hinüber in die Mesnerwohnung in den Gang, der an der Treppe endete. Dieser diente uns auch vorher schon als Luftschutzkeller. Wir nahmen einen Koffer mit, in dem wir das Wichtigste eingepackt hatten wie Geld, Sparbücher, Notarurkunden, Zahnbürsten. Einen Zimmerstutzen und Salz versteckten wir im Fehlboden unseres Stallgebäudes. An der Rothbrücke waren primitive Panzersperren aus Baustämmen errichtet. Viele deutsche Soldaten, viel mehr als in den Tagen davor, zogen mittlerweile mit ihren Pferden durch den Schneiderturm Richtung Röhrmoos. Kurz nachdem die müden deutschen Soldaten durch waren, fuhren schon die Amerikaner durch den Turm. Bald darauf gingen wir wieder in unser Haus hinüber, weil es geheißen hat, die Amis wollen in die Häuser. Und schon kamen sie auch. Sie gingen in die Speisekammer, nahmen aber nur die Eier, weil sie Angst hatten, das andere Essen könnte vergiftet sein. Im Laden rührten sie nichts an. Sie hatten Kaffee dabei, den sie zubereiteten, und auch uns dazu einluden. Als sie tags drauf wieder abzogen, schenkten sie uns ihren übrigen Kaffee. Ein Soldat hatte fünf Armbanduhren am Arm. Fünf amerikanische Soldaten übernachteten bei uns, einer konnte deutsch. Sie belegten zwei Zimmer, die wir für die Nacht für sie herrichteten. Wir schliefen zu dritt in Mamas Schlafzimmer im Doppelbett. Da wir müde waren, konnten wir auch schlafen, trotz der Soldaten im Haus. Immerhin war es ja der Feind. Mama hatte meine 13-jährige Schwester schon vorher ins Bett geschickt. Sie hatte Angst und konnte deshalb nicht schlafen und weinte. Ich ging zu ihr und versuchte sie zu beruhigen, denn die Soldaten waren anständig und taten uns nichts. Nachdem es im Haus trotz der Amis sehr ruhig war, glaubte sie, wir hätten sie alleine zurückgelassen. Das erzählte ich meiner Mutter. Dieses Gespräch hörte auch der deutsch sprechende amerikanische Soldat. Er fragte, wo meine Schwester sei, ging zu ihr und beruhigte sie, indem er sagte: „Du brauchst keine Angst zu haben, wir beschützen Dich“. Am Tag darauf fuhren die Amerikaner Richtung Röhrmoos.

Zwei bis drei Wochen später kamen französische Soldaten. Abends läutete es an der hinteren Türe am Kirchweg. Nachdem wir aufgesperrt hatten, bedrohten sie uns mit dem Gewehr und fragten: „Wo Auto?“ Daraufhin gingen sie durch die hintere Haustüre in den Hof, schossen in das Türschloss des Holzschuppens und schauten hinein. Ich sperrte die Garage auf, und zeigte ihnen unseren Opel. Da jedoch keine Reifen daran waren, zogen die Franzosen wieder unverrichteter Dinge ab. Auf Anraten des Kaplans Steigenberger hatten wir nämlich die Reifen schon Monate vorher abmontiert und auf dem Heuboden unter dem Heu versteckt. Den Opel hatten wir aufgebockt.

Zwei Wochen später musste jeder sein Radio (Volksempfänger) abliefern. Weinend fuhren wir das Radio auf unser Heuwagerl gepackt, zur Sammelstelle zum Marktplatz. Würden wir je wieder ein Radio haben dürfen? Wir wussten ja nicht was die Zeit bringen würde. Nachdem wir wieder daheim waren, fuhr der Lastwagen mit den eingesammelten Radios auf der Straße vor unserem Haus vorbei und hielt zufällig an. Wir sahen unser Radio auf dem Lastwagen. Weinend erbettelten wir es vom Fahrer. Er hatte Mitleid und gab es uns wieder.

Von einer Feiertagsstimmung beim Einmarsch der Amerikaner und von Jubel, wie andere später in der Zeitung berichteten, konnte keine Rede sein. Wir waren nur froh und erleichtert, dass alles vorbei war, und dass wir das Kriegsende und den Einmarsch der Amerikaner unversehrt überstanden hatten.“


Thema: Einmarsch der Amerikaner
Autor: Hans Kornprobst
Quelle: Johanna Leitenstorfer
Ort: Markt Indersdorf