Oswald Mittermüller (1900- )
Schutzhäftling im Amtsgerichtsgefängnis Dachau 1933
Die Informationen beruhen auf einem Interview mit seinem Sohn Alois Mittermüller vom 31. Januar 2012 sowie auf einem weiteren Gespräch mit Alois Mittermüller und seinem Bruder Oswald Mittermüller am 29. September 2014. Desgleichen wurden Inhalte der Spruchkammerakte gegen den Stettener Ortsgruppenleiter Josef Göttler mit eingebracht.
Familie Mittermüller in Stetten
Oswald Mittermüller stammt aus einer Familie, die im 19. Jahrhundert aus der Ingolstädter Gegend nach Stetten gezogen ist. Sein Vater, ebenfalls Oswald Mittermüller, bewirtschaftete in Stetten einen kleinen Hof, ein „Gütl“, im Nebenerwerb mit ca. 12-15 Tagwerk. Hauptberuflich war er als „Königlich bayerischer Straßenmeister“ mit der Pflege der Straßen im Bereich Stetten („Strasser“) beauftragt.
Oskar Mittermüller und die „Roten“
Sein Sohn, der spätere Schutzhäftling Oswald Mittelmüller wurde am 17. September 1900 geboren. Er war gelernter Zimmermann und arbeitete im Betrieb der Firma Vitus Lachner in Stetten. Obwohl er niemals Mitglied einer „linken“ Partei (Sozialdemokraten oder Kommunisten) war, besaß die Familie offenbar gewisse „sozialistische Wurzeln“. So war Oswald Mittermüller offenbar 1919 im Verlauf der bayerischen Räterepublik an den Kämpfen der „Roten“ gegen die von Norden anrückenden Reichwehrtruppen, den „Weißen“, beteiligt. Er berichtete seinen Söhne vom Ausheben von Schützengräben im Raum Dachau gegen die von Norden anrückenden Reichswehrtruppen, die „Weißen“, kritisierte aber auch die „Roten“, vor allem die Münchener Intellektuellen innerhalb der Rätebewegung um Ernst Toller, deren Fähigkeit zur Führung der Truppen er von Anfang an stark anzweifelte.
Ablehnung des Nationalsozialismus
Aus den 1920er Jahren sind keine politischen Auffälligkeiten bekannt geworden. Allenfalls mag es zu kleineren Konflikten mit seinem Arbeitgeber gekommen sein, der ein strammer Anhänger der aufkommenden NS-Bewegung war. Über das Verhalten von Oswald Mittermüller während der weiteren NS-Zeit ist nicht viel bekannt. Offenbar zeigte er aber wenig konformes Verhalten gegenüber der NS-Herrschaft. So soll er sich im Gasthaus öfter abschätzig gegenüber der „Machtergreifung“ und der NS-Parteiführung geäußert haben. Er galt einigen Bürgern (so die Aussage eines anderen Zeitzeugen) als „sonderbar“.
Schutzhaft im Amtsgerichtsgefängnis Dachau
Weshalb es Anfang 1933 zur Verhaftung und zur Überstellung in Schutzhaft kam, ist nicht genau bekannt. Offenbar hat aber Denunziation eine Rolle gespielt. Jedenfalls wurde Oswald Mittermüller am 14. März 1933 als elfter Schutzhäftling nach Beginn der Verhaftungsaktionen in Dachau von der Gendarmerie Schwabhausen ins Amtsgerichtsgefängnis Dachau eingeliefert. Nach knapp zwei Wochen wurde er am 27. März wieder entlassen. Sein Arbeitgeber hat ihn von der Parteileitung wieder mit Erfolg zurück gefordert, weil er ihn als wichtigen Arbeiter bei der Herstellung von Munitionskisten benötigte. Außerdem soll sich auch der Ortgruppenleiter Josef Göttler um seine Freilassung bemüht und während seiner Haft seine Frau und seine Kinder unterstützt haben. Oswald Mittermüller hat des Öfteren betont, dass er mit Josef Göttler eng befreundet gewesen war. Im Spruchkammerverfahren in Moosburg 1948 gegen den Ortsgruppenleiter entlastete er diesen durch die Hinweise auf dessen Hilfen für seine Familie während seiner KZ-Haft und schließlich auch bei der Entlassung (einer von mehreren „Persilscheinen“).
Ein Haft- bzw. Entlassungsschein von Oswald Mittermüller aus der Schutzhaft liegt nicht vor. Allerdings soll es zur gleichen Zeit einen Mitgefangenen aus Schneizlreuth gegeben haben, dessen Sohn einen Entlassungsschein seines Vaters besitzt und noch mit der Familie Mittelmüller in Verbindung steht.
Wehrmacht und Kriegsgefangenschaft
Noch 1942 wurde er, obwohl er zu den älteren Jahrgängen zählte, zur Wehrmacht nach Russland eingezogen. Sein Sohn Alois meint, dass dies ein Akt der „Entsorgung“ eines unzuverlässigen Volksgenossen war. Oswald Mittermüller war bis 1948 in russischer Gefangenschaft. Sie wurde von ihm als Rettung und als relativ erträglich empfunden: „Den Russen ging es genauso schlecht wie uns.“ Er wurde als Zimmermann zur Errichtung eines Blockhauses für den Kommandanten des Lagers beschäftigt, wobei er einige Privilegien erwarb. Nach seiner Heimkehr hat er öfter von geplanten Überläufen zur russischen Armee gesprochen, weil bei ihm und seinen Kameraden große Angst vor Erschießungen durch die nachrückenden SS-Einheiten bestand. Es scheinen also bestimmte Sympathien für die Rote Armee bestanden zu haben.
Nach dem Krieg: „Der Kollektiv“
Er war nach dem Krieg allgemein unter dem Spitznamen „der Kollektiv“ bekannt, weil er sich um Gemeinschaftsleistungen v.a. bei der Wiederherstellung der Straßen und Wege verdient machte. Da er dabei offenbar häufig diesen Begriff aus dem sozialistischen Sprachumfeld benutzte, wurde er zeitlebens den Nimbus des „Roten“, des Nichtangepassten, nicht los.
Quellen:
Gespräch mit Alois Mittermüller und seinem Bruder Oswald Mittermüller am 29. September 2014
StAM SpkA Az. Kt. 3556 XI/49.129b, Akt.Z 509
StAM AG 41126
Thema: Biographieprojekt (Teilprojekt3)
Autor: Helmut Beilner
Quelle: Quellen Diverse
Ort: Gemeinde Schwabhausen