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Hans Neumeyer (1887-1944)

Verlust des Augenlichts

Am 13.9.1887 wird Hans Neumeyer in München geboren. Er wächst in einer alteingesessenen jüdischen Münchener Familie auf, die ein Bekleidungsgeschäft am Sendlinger-Tor-Platz besitzt. Nachdem er bereits seit seiner frühen Kindheit an einer Augenkrankheit leidet, die ihn auf einem Auge erblinden lässt, verliert er im Alter von 14 Jahren sein Augenlicht vollständig.

An der Akademie für Tonkunst

Von 1911 – 1913 studiert Hans Neumeyer an der Akademie für Tonkunst (heute: Hochschule für Musik und Theater) in München. Als er anschließend in Hellerau bei Dresden einige Jahre in den Fächern Akustik und Improvisation unterrichtet, lernt er seine zukünftige Ehefrau Vera Ephraim kennen, die dort rhythmische Gymnastik studiert. 1915 gründet er in München zusammen mit Valeria Cratina die „Jaques-Dalcroze-Schule“. An dieser Schule wird nach dem Vorbild der Lehre von Émile Jaques-Dalcroze, einem Schweizer Komponisten und Musikpädagogen, unterrichtet. Hans Neumeyer arbeitete wohl einige Jahre als Dozent an dieser Schule.

In der Hindenburgstraße in Dachau

Am 12.7.1920 heiraten Hans und Vera in München und ziehen kurz darauf in ein Haus in der Hindenburgstraße 10 (heute: Hermann-Stockmann-Straße) in Dachau. Am 17.9.1923 kommt Tochter Ruth zur Welt, knapp ein Jahr danach, am 20.12.1924 folgt die Geburt des zweiten Kindes Raimund. Die Kinder werden wie Vera Neumeyer, die ebenfalls eine evangelische Mutter und einen jüdischen Vater hatte, evangelisch getauft und erzogen. Zu diesem Zeitpunkt ahnen die Neumeyers noch nicht, dass die Familie wenige Jahre später durch die Nationalsozialisten zerstört wird.

Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums

Den staatlich geförderten und propagierten Hass der Nationalsozialisten gegen die Juden bekommt Familie Neumeyer erstmals 1933 zu spüren: Eine bereits beschlossene Berufung als Dozent an die Akademie für Tonkunst ist nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums nicht mehr möglich. Die Einkünfte der Familie sind seitdem sehr unregelmäßig.

7. November 1938

Das Attentat des siebzehnjährigen Herschel Grynszpan auf den deutschen Legationsrat Ernst Eduard vom Rath dient den Nationalsozialisten als willkommener Vorwand für die folgende Vertreibung der Juden aus Dachau und die Reichspogromnacht am 9./10.11.1938. Den Entschluss zur Ausweisung der Juden aus der Stadt fasst Hans Eder, der Kreisleiter von Dachau, nach Absprache mit dem Dachauer Bürger-meister Hans Cramer.

Vertreibung aus Dachau

Am 8.11.1938 erfährt Vera Neumeyer, die zu diesem Zeitpunkt mit den beiden Kindern allein zu Hause ist, von zwei SA-Männern, die vor Mitternacht an die Tür klopfen, dass die Familie die Stadt Dachau noch am Morgen des 9. November verlassen muss. Sie berichtet ihrem Mann, der gerade in Berlin ist, um sich über Flötenbau zu informieren, per Telegramm von der Vertreibung. Daraufhin schreibt Hans Neumeyer einen Brief an die Gestapo in München, in dem er um Erlaubnis bittet, das Haus in Dachau nochmals zu betreten, um für Abgaben wichtige Dokumente zu holen, damit er diese auch weiterhin zahlen kann. Währenddessen finden Frau und Kinder Unterschlupf bei Bekannten in München.

Seit 22.12.1938 wohnt die Familie in der Thorwaldsenstraße 5 in München bei Koebner. Dort feiern sie 1938 ihr letztes gemeinsames Weihnachtsfest. Am 18.8.1939 wird das Haus in der Hindenburgstraße  im Rahmen der Enteignungsmaßnahmen der Nationalsozialisten verkauft. Das Geld für das Anwesen wird auf ein für Neumeyers unzugängliches Sperrkonto überwiesen.

Flucht der Kinder


Am 10.5.1939 gelingt den beiden Kindern Ruth und Raimund Neumeyer die Ausreise nach England. Die Reise nach Großbritannien beginnt mit einer Zugfahrt nach Hoek van Holland, von wo aus sie mit dem Schiff nach Harwich im Südosten Englands gelangen. Ihre Eltern haben sie nicht wieder gesehen.

Theresienstadt

Am 4.6.1942 wird Hans Neumeyer im Zug mit der Transportnummer II. 76 nach Theresienstadt transportiert. Im Ghetto wird Hans Neumeyer zunächst auf der Blindenstation untergebracht, doch als er 1943 an Tuberkulose erkrankt, wird er auf eine Krankenstation des Ghettos verlegt. Seine Ehefrau Vera Neumeyer wird am 13.7.1942 vermutlich nach Piaski ins Ghetto deportiert. Todesdatum und -ort sind nicht bekannt.

Am 19.5.1944 stirbt Hans Neumeyer an den Folgen seiner Tuberkuloseerkrankung in Theresienstadt. Der Sarg wird wenige Tage später, am 22.5.1944, mit der Nummer 24125 eingeäschert.

Quellen:
Tim Locke (Enkelsohn von Vera und Hans Neumeyer): Fotos, Notenblätter und Fährticket; http://ephraimneumeyer.wordpress.com
Dokumente: Amtliche Meldekarte (Stadtarchiv Dachau); Schreiben des Finanzamts Dachau (Staatsarchiv München); Bestätigung Einäscherung(  ITS Bad Arolsen)

Biographie: Hans Holzhaider: Vor Sonnenaufgang. Das Schicksal der jüdischen Bürger Dachaus, München 2006; Dokumente aus Staatsarchiv München, Stadtarchiv Dachau und ITS Bad Arolsen; Tim Locke

Verfasserinfo:
Veronika Ziller, Abiturientin des Josef-Effner-Gymnasiums Dachau, 2014

Thema: Biographieprojekt (Teilprojekt3)
Autor: Veronika Ziller
Quelle: Quellen Diverse
Ort: Stadt Dachau