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Thomas Bleisteiner (1908-1940)

Geb.: 22.9.1908 in Dachau
Gest.: 16.4.1940 in Mauthausen
Wohnort: Dachau, Wieningerstr. 10/I Rückgebäude
Beruf: Hilfsarbeiter
Familienstand: ledig
Konfession: katholisch

1908 - 1927

Thomas Bleisteiner hatte es von Beginn an in seinem Leben nicht leicht. Als uneheliches Kind geboren, wuchs er in sehr ärmlichen Verhältnissen auf. Seine Mutter Magdalena (Leni) Bleisteiner war Tochter eines Fabrikarbeiters und brachte ihren ersten Sohn im Alter von 19 Jahren zur Welt. Als Thomas zehn Monate alt war, heiratete sie den aus Dachau stammenden Hausmeister Franz Xaver Walter und bekam mit ihm zwischen 1909 und 1918 sieben weitere Kinder. Zwei der Geschwister starben noch im Säuglingsalter, die zwei Jahre jüngere Schwester Magdalena starb im Alter von sechs Jahren. Das Verhältnis zum Stiefvater war wohl ziemlich schlecht, er scheint Thomas abgelehnt und auch häufig geschlagen zu haben. Die Beziehung der Eltern war geprägt von Abwesenheit des Vaters und seinen außerehelichen Beziehungen, so dass die Mutter wohl nicht glücklich war. Franz Walter war schon 1933 bei der NSDAP und seit August 1935 Mitglied der SS in Münchberg . Thomas Bleisteiner musste, seit er 14 Jahre alt war, arbeiten um die Familie mit zu ernähren. Von 1923, seit seinem 15. Lebensjahr, bis 1927 arbeitete er in der Papierfabrik.

1927 - 1932

Im Mai 1927 wurde er entlassen, angeblich wegen Arbeitsverweigerung. Sowohl Franz Xaver Walter als auch Bleisteiner waren nun beide ohne Arbeit. Das Arbeitsamt Dachau bot Bleisteiner in Kreuzholzhausen Arbeit an, die er jedoch ablehnte, da er kein Fahrrad besaß, mit dem er dorthin hätte fahren können, und auch keine Schuhe. Wegen Arbeitsverweigerung wurde er zu sechs Wochen Gefängnishaft verurteilt. Anschließend gelang es ihm für neun Monate eine Arbeitsstelle in Allach zu finden. In der Zeit der Weltwirtschaftskrise war auch in Dachau die Arbeitslosigkeit sehr hoch. Zwischen 1929 und 1931 fand Bleisteiner nur noch Gelegenheitsarbeiten, von 1931 bis 1932 vertrieb er Kaffee für die Firma Belstler . Er wurde mehrmals straffällig wegen kleinerer Delikte, wegen Diebstahls, Betrugs oder Arbeitsverweigerung. Er scheint häufiger betrunken gewesen zu sein, und geriet in Streitereien. Bleisteiner hatte bald einen denkbar schlechten Leumund bei der Gendarmerie in Dachau.

1933 - 1934

Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten begannen die Behörden mit großer Härte gegen ihn vorzugehen. Am 28. März 1933 wurde er früh morgens von der Gendarmerie Dachau in Schutzhaft genommen und ins Amtsgerichtsgefängnis Dachau gebracht. Als Beruf ist im Gefangenenbuch des Amtsgerichtsgefängnisses Hausierer angegeben. Seit Beginn der Verhaftungsaktionen gegen KPD-Mitglieder in Bayern am 10. März 1933 waren vor Bleisteiner bereits 19 Personen als Schutzhäftlinge ins Amtsgerichtsgefängnis Dachau gebracht worden, die meisten aus politischen Gründen. Die genaueren Umstände und der Grund der Verhaftung von Thomas Bleisteiner sind bisher nicht bekannt.
Jedenfalls blieb er 76 Tage im Gefängnis und wurde am 12. Juni von dort ins Konzentrationslager Dachau überstellt.

Für den 7. November 1933 ist seine Überstellung, möglicherweise durch die Bayerische Politische Polizei München , ans Konzentrationslager Dachau belegt. Was in der Zwischenzeit mit ihm passierte, ist nicht bekannt. Vermutlich blieb er von Ende März bis Dezember 1933 in verschiedenen Haftanstalten in Schutzhaft . Ob die frühe Verhaftung tatsächlich aufgrund seiner häufigen Arbeitslosigkeit oder seiner Konflikte mit der Ortspolizei herrührte oder ob es möglicherweise noch einen politischen Hintergrund gab, konnte nicht geklärt werden. Anscheinend war der Familie der Haftgrund selbst auch nicht bekannt. Leni Walter schreibt im Mai 1936: „Im März 1933 wurde Er, obwohl mein Sohn nie mit politischen Angelegenheiten zu tun hatte in das Konzentrationslager überwiesen.“ Selbst von der Ortspolizei konnte 1938 der Grund der ersten Inhaftierung im Konzentrationslager nicht genannt werden, der Polizeimeister Hans Wagenbrenner schreibt aber auch: „Politisch ist derselbe im allgemeinen nie hervorgetreten.“ Nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager gelang es Bleisteiner nicht, dauerhaft an einem Arbeitsplatz zu bleiben. Nach dem Ende der Haft bekam er verschiedene Arbeitsstellen vermittelt. Zunächst war er bei der Baufirma Stangl in Garmisch. Nach drei Wochen wurde er wegen „nichtgenügender Arbeitsleistung“ entlassen. Von Herbst 1934 bis Juli 1935 war Thomas Bleisteiner Hilfsarbeiter im Magazin der „Lokomotivfabrik Krauss & Comp. - J. A. Maffei Aktiengesellschaft“ (heute: Krauss Maffei) in Allach. Nach einer Arbeitszeit von acht Monaten wurde er am Arbeitsplatz verhaftet und aus der Firma entlassen. Man warf ihm den Diebstahl einer Jacke vor, der, wie sich später herausstellte, nicht durch ihn verübt worden war. So bekräftigte der Rechtsanwalt Otto Franck, den die Eltern schließlich einschalteten, in einem Schreiben an die Regierung von Oberbayern vom 28. April 1936: „Dass er diesen Arbeitsplatz verloren hat, war nicht seine Schuld.“ Im Zeugnis der „Lokomotivfabrik Krauss & Comp. - J. A. Maffei Aktiengesellschaft“ wird Bleisteiners Arbeitsleistung wie folgt dokumentiert: „Mit seinen Leistungen und seiner Führung waren wir zufrieden.“ Eine Arbeitsstelle im zehn Kilometer entfernten Schwabhausen lehnte Bleisteiner mit der Begründung ab, dass er kein Fahrrad besitze, er werde sich selbst eine Arbeitsstelle suchen. Tatsächlich fand er zumindest aushilfsweise Arbeit in der Gaststätte und Metzgerei Kramer, der sogenannten Schwarz-Veranda .

1934 - 1935

In der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember 1934 ereignete sich ein folgenreicher Zwischenfall in der Gastwirtschaft Schwarz . Thomas Bleisteiner saß mit dem Gütler Josef Messner aus Haimhausen zusammen beim Bier. Wie der Abend genau verlief, wurde von beiden später unterschiedlich dargestellt. Feststeht lediglich, dass Bleisteiner Messner eine Damenuhr im Wert von sechs RM entwendete und Messner daraufhin Anzeige wegen Diebstahls erstattete. Vor Gericht gab Bleisteiner später zu, dass er die Uhr an sich genommen habe, jedoch nicht in rechtswidriger Absicht, sondern weil Messner ein „Pfand“ für mehrere Biere verweigerte, die er auf Bleisteiners Rechnung getrunken habe. Messner gab zu, dass er einige Male aus Bleisteiners Krug getrunken habe, ein Bier habe Bleisteiner ihm aber nicht bezahlt. Das Gericht sah Thomas Bleisteiner als den Täter an und glaubte den Äußerungen des Klägers, auch weil Thomas Bleisteiner zu diesem Zeitpunkt „bereits zweimal im Inlande wegen Diebstahls in rückfallbegründender Weise vorbestraft ist“, erkannte aber mildernde Umstände an . Bleisteiner wurde zu drei Monaten Gefängnishaft und Übernahme der Verfahrenskosten verurteilt.

1935 - 1938

Ab September 1935 reihten sich mehrere Haftstrafen wegen Diebstahls, nächtlicher Ruhestörung und Pöbeleien aneinander, vor allem aber wurde ihm „Arbeitsscheue“ vorgeworfen, die mit der früheren Verweigerung von Arbeitsangeboten und dem Verlust seiner Arbeitsstellen begründet wurde. Drei Tage vor Ende der letzten Gefängnisstrafe ging der Beschluss des Bezirksamts Dachau an die Gendarmeriestation: Einschaffung ins Arbeitshaus Rebdorf. Ende April 1936 traf Bleisteiner dort ein, er sollte bis 21. April 1938 bleiben.

Die Eltern setzen sich für seine Freilassung ein

Die Mutter und auch der Stiefvater richteten zahlreiche Schreiben an verschiedene Stellen, in denen sie um Entlassung baten, die Mutter versuchte, Thomas zu verteidigen, ihr Sohn habe es immer schwer gehabt, er habe seit seinem 14. Lebensjahr zum Unterhalt der Familie beitragen müssen, sie führte Arbeitsstellen ihres Sohnes an und nannte Gründe, weshalb er unverschuldet gekündigt worden sei. Dem Vater war es vor allem unangenehm, als Parteigenosse ein Mitglied seiner Familie im Arbeitshaus zu wissen, er werde sich in Zukunft mehr um die Erziehung des Sohnes kümmern. In mehreren Schreiben an das Bezirksamt Dachau äußert sich der Polizeihauptmann Windele der Schutzmannschaft in Dachau überaus ablehnend über Bleisteiner. Bleisteiner sei „als Taugenichts stadtbekannt“ ein „Streuner und Faulenzer besonderer Art“ sei „auch sonst mit allen schlechten Eigenschaften belastet“. Windele schrieb vehemente Gegendarstellungen gegen die Schilderungen der Mutter Leni Walter, die inzwischen mit Entschiedenheit versuchte, ihren Sohn in Schutz zu nehmen und ihn vor der drohenden Einweisung ins Arbeitshaus zu bewahren: „Verfehlungen die Er machte waren lauter leichterer Art und mein Sohn hat sich wirklich hart durchs Leben schlagen müssen, denn stand Er in Arbeit mußte Er zum Unterhalt der großen Familie beitragen. Ich als Mutter von Bleisteiner bitte die Herren von einer Sicherheitsverwahrung in ein Arbeitshaus Abstand zu nehmen, denn die Angaben der hiesigen Behörde stimmen mit den Tatsachen nicht überein, da ich selbst gute Arbeitszeugnisse von meinem Sohn in der Hand habe.“ Im Juni versuchte sie zum wiederholten Male, die „Arbeitsverweigerung“ aus dem Jahr 1927 zu rechtfertigen: „weil er die Arbeit nicht annehmen konnte da die Arbeitsstelle 2 Stunden entfernt war u. Er kein Rad besaß weder ein Geld hatte, daß er sich eines kaufen konnte. Es haben seinerzeit auch seine anderen Arbeitskollegen diese Arbeit verweigert die in derselben Lage waren wie mein Sohn aber nur gegen meinen Sohn ist Anzeige gemacht worden und Er hat dafür eine Strafe verbüßt von 6 Wochen. Es ist ihm aber seit der Zeit eine Arbeitsverweigerung nicht nachweisbar u. unter was für einer Begründung mein Sohn als arbeitsscheu hingestellt wird kann mir nie klar werden da Er sich immer wieder bemühte um Arbeit, wenn Er auch oft nur ums Essen u. einige Mark Taschengeld schaffte da eine feste Arbeit seinerzeit unmöglich zum auftreiben war.“ Und weiter argumentiert sie: „Und daß mein Sohn als sicherheitsgefährlich hingestellt wird kann ich nur als eine Ungerechtigkeit bezeichnen da Ihm doch kein Einbruch, Körperverletzung oder Sittlichkeitsverbrechen nachzuweisen ist. Die Verfehlungen, die Er machte waren leichterer Art u. meist unter Freunden mit die [sic!] er sich auf Händeleien einließ u. Er für diese [… unverstdl.] seine Strafe verbüßte.“ Windele kannte die familiären Verhältnisse unter denen Bleisteiner zu leiden hatte, verwandte sie aber in seiner Argumentation gegen ihn: „Zu dem Vorbringen des Stiefvaters, daß er aus dem fragl. Sohn einen anständigen Menschen macht, fehlt nach den gegebenen Familienverhältnissen jede Voraussetzung. […] Die Ehefrau, der man nichts zum Nachteile nachsagen kann u. die als ordentl. Frau anzusehen ist, klagt sehr über das Verhalten ihres Mannes. […] Nach Angabe der Frau hat ihr Mann ihren außerehel. Sohn noch nie leiden können u. stets von jugendauf übermäßig geschlagen […] Aus dem Geschilderten läßt sich ersehen, daß von einer Familienerziehung des Bleisteiner nicht gesprochen werden kann.“ Die Eltern schalteten einen Rechtsanwalt ein und legten Bestätigungen von potenziellen Arbeitgebern vor, die sich bereit erklärten, Bleisteiner unverzüglich einzustellen. Nach fast einem Jahr hatten sie Erfolg: Das Arbeitshaus Rebdorf meldete am 10. April 1937 an das Bezirksamt Dachau, Bleisteiner führe sich „hier sehr gut und arbeitet fleissig. Die bisherige Verwahrung dürfte ihn zur Einsicht gebracht haben. Ich befürworte seine Entlassung bis 1. Juli.“ Bleisteiner wird zum 1. Juli 1937 widerruflich und vorläufig aus dem Arbeitshaus entlassen, mit der Auflage, sich sofort um ständige Arbeit zu bemühen und den Arbeitgeber beim Bezirksamt Dachau anzugeben.

1938 - 1940

Doch Bleisteiner schaffte es nicht mehr, den nationalsozialistischen Repressionen zu entgegen. Wieder verlor er nach einiger Zeit seine Stelle, war zeitweise ohne Arbeit und blieb er den Behörden weiterhin im Visier. Im Frühjahr 1938 wurde durch den Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Inneren eine geheime Aktion gegen „Arbeitsscheue“ angeordnet. Männer im arbeitsfähigen Alter, die in zwei Fällen ihnen angebotene Arbeitsplätze abgelehnt oder nach kurzer Zeit wieder verlassen hatten, sollten ermittelt und der Staatspolizeileitstelle gemeldet werden. Anschließend sollten die Bezirkspolizeibehörden diese Personen festnehmen und vernehmen. Die Gestapo Berlin sollte anschließend darüber entscheiden, ob die Festgenommenen ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht werden sollten. Ausdrücklich wurden nur arbeitsfähige Personen angefordert, keine Trinker oder alten Landstreicher. Die Durchführung dieser Aktion verzögerte sich zwar mehrmals, sie fiel aber genau in eine Zeit, in der Thomas Bleisteiner wegen unentschuldigten Fernbleibens von seinem Arbeitsplatz bei einem Münchner Flachglashandel gekündigt worden war, und er zudem noch nach einer Streiterei in betrunkenem Zustand in der Wienigerstraße unbeabsichtigt ein Schaufenster eingeschlagen hatte. Bleisteiner wurde festgenommen und erhielt eine Anzeige wegen groben Unfugs. Aus Dachau wurde an die Gestapoleitstelle München ein Name weitergegeben: Thomas Bleisteiner. Bleisteiner musste noch eine dreimonatige Haftstrafe im Amtsgerichtsgefängnis Dachau absitzen, anschließend wurde er ins KZ Buchenwald verlegt. Am 6. Oktober 1938 traf er in Weimar ein. Wieder bemühten sich die Eltern mehrfach um Entlassung. Mehrfach wurde die Haftzeit um drei Monate verlängert. Das letzte Gesuch wurde von der Gestapo-Leitstelle München mit einem Bericht dem Reichssicherheitshauptamt zur Entscheidung vorgelegt und am 27. Februar 1940 „wegen schlechter Lagerführung“ abgelehnt. Dies wurde Magdalena Walter Anfang März mündlich mitgeteilt. Kurz darauf, am 8. März, wurde Bleisteiner in das KZ Mauthausen verlegt. Fünf Wochen später, am 16. April 1940 starb Thomas Bleisteiner im Konzentrationslager Mauthausen.

Quellen:
Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau, Häftlingsliste
StAM LRA 128377 Schutzhaft Thomas Bleisteiner, Dachau wg. Arbeitsscheu 1936-40
Stadtarchiv Dachau, Meldekartei
ITS-Archiv Bad Arolsen
Archiv der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, Totenbuch

Thema: Biographieprojekt (Teilprojekt3)
Autor: Görres Susanne Gerhardus Sabine
Quelle: Quellen Diverse
Ort: Stadt Dachau