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Anton Felber (1902-1939)

„Meine Zukunft und Vorsätze sind jetzt daß Ich mich gut führe und ein ordentlicher Mensch werde“ – Anton Felber

Geb.: 07.05.1902 in Dachau
Gest.: 20.10.1939 im KZ Flossenbürg
Wohnort: Dachau (Friedensstr. 4a (heutige Friedenstr. 17) (in den Gerichtsunterlagen Friedenstr. 4)
Familienstand: led.
Konfession: kath.
Beruf: Korbmacher

Kindheit in Etzenhausen

Anton Felbers Eltern hießen Anton und Magdalena Felber. Der Vater Anton war 1854 in Pfaffenhofen an der Ilm geboren worden, auch seine Eltern hießen Anton und Magdalena Felber. Anton Felbers Vater war Fabrikarbeiter. Er heiratete 1892 in Dachau, im Alter von fast 38 Jahren relativ spät die aus Jetzendorf stammende neun Jahre jüngere Magdalena Schäffler. Drei Jahre zuvor hatte Magdalena noch in Jetzendorf ein Mädchen entbunden, die auf Anton Felbers Meldekarte als sein erstes Kind eingetragen wurde, aber den Familiennamen Schäffler behielt: Katharina, geb. am 25. April 1889. Nach elf Jahren bekam das Ehepaar einen Sohn, der wie der Vater Anton getauft wurde, aber schon nach drei Monaten starb. Zwei Jahre später, am 7. Mai 1902  wurde wieder ein Knabe geboren, der nun wieder den Vornamen Anton erhielt. Seine Schwester war inzwischen 13 Jahre alt, der Vater war jetzt 48. Die Familie lebte in der Jocherstraße 7 und zog später nach Etzenhausen. Dort lebten sie 1911 im Haus Nr. 5 1/2, als der Vater, der inzwischen schon pensioniert war, an einer Influenza-Infektion starb[1]. Der Bub Anton war jetzt mit neun Jahren Halbwaise geworden. Der plötzliche Tod seines Vaters muss ein großer Schock für den Jungen gewesen sein und hat seinem Leben wohl eine dramatische Wendung gegeben. Felber selbst gibt später die Zeit bis zum Tod seiner Eltern als die schönste Zeit in seinem Leben an. Bisher konnten kaum Zeugnisse über die Lebensverhältnisse der Familie gefunden werden, es ist aber davon auszugehen, dass sie in großer Armut lebten. Wovon sie sich ernährten, bzw. inwieweit Magdalena und ihre ältere Tochter arbeiten gingen, konnte ich bisher nicht klären. Bei Katharina gibt es einen handschriftlichen Eintrag auf der Meldekarte ihres Vaters „öfter bestraft“. Anton besuchte zunächst sieben Klassen der Volksschule in Dachau[2] und gab später an, ein guter Schüler gewesen zu sein.


Erste Konflikte mit der Polizei

Im Alter von 15 Jahren kam er bereits zum ersten Mal mit der Polizei in Konflikt: 1917 wurde Anton wegen Hehlerei zu mehreren Tagen Haft im Jugendgefängnis verurteilt[3]. 1919, im ersten Jahr nach dem Krieg, war Anton Felber als „Zwangszögling“ in der „Besserungsanstalt Rot(h)enfels“ (vmtl. Rothenfeld, das zum Gefängnis Aichach gehörte) untergebracht[4]. Zu diesem Zeitpunkt lebte seine Mutter noch. Weshalb er nicht bei ihr war, sondern zwangsweise in einer Besserungsanstalt untergebracht war, ist nicht geklärt. Gut zu gehen schien es ihm dort nicht, er unternahm in diesem Jahr mindestens zwei Ausbruchsversuche und wollte nach Dachau zurückkehren. Im November 1919 wurde er vom Hilfsgendarm Windele ins Amtsgerichtsgefängnis Dachau gebracht, 17 Tage blieb er dort inhaftiert, bevor man ihn zurück nach Rothenfeld schickte. Ein halbes Jahr später, im April 1920, war er wieder zurück, diesmal wurde er nur einen halben Tag festgehalten und gleich wieder nach Rothenfeld gebracht. Auch 1921 taucht sein Name mit dem Zusatz „Zwangszögling“ noch im Gefangenenbuch des Amtsgerichtsgefängnisses Dachau auf.


Strafverfolgung in der Weimarer Republik

In den Gefangenenunterlagen des Zuchthauses Kaisheim werden 1937 im Strafregisterauszug seit 1917 39 Vorstrafen angegeben. 1922 erhielt Felber eine einwöchige Haftstrafe wegen gemeinschaftlichen groben Unfugs. 1923 musste Felber aufgrund eines Urteils des Landgerichts München II eine zehnmonatige Gefängnisstrafe wegen schweren Diebstahls in Laufen verbüßen. Es folgten weitere Haftstrafen, meist von einigen Tagen, meistens wegen Bettelns, aber auch wegen Hehlerei, Landstreicherei, verbotenen Waffentragens (eine Woche Haft), Reisens in Horden, schweren Diebstahls, Felddiebstahls und falscher Namensangabe sowie Betrugs. Zwischen 1925 und 1934 war Felber wegen Bettelns 19 Mal im Gefängnis. Mit Beschluss des Bezirksamts Erding vom 8. August 1927 wurde Felber für sechs Monate in das Arbeitshaus Rebdorf eingewiesen.[5]


Tod der Mutter

Am 1. September 1924 starb Felbers Mutter im Alter von 56 Jahren im Krankenhaus Wolnzach im Landkreis Pfaffenhofen. Sie wohnte zu dieser Zeit im Armenhaus von Dachau, war aber als Hopfenpflückerin in Gosseltshausen (heute Gemeinde Wolnzach) gewesen, wo sie offensichtlich erkrankte oder einen Unfall erlitt.[6]

Am 30. Januar 1931 erging ein Urteil des Amtsgerichts Dorfen wegen versuchten schweren Diebstahls im Juni 1928 zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnishaft. Am 8. Dezember 1931 war diese Strafe verbüßt. Ab 1932 war Felber 20 Monate in der Gefangenenanstalt Bernau.


"Letzter Aufenthalt auf der Straße"

Im Januar 1933 musste Felber im Amtsgerichtsgefängnis Dachau eine zweitägige Haftstrafe wegen Ruhestörung abbüßen. Am 3. November 1933 wurde er wegen Bettelns ins Gerichtsgefängnis Aichach eingewiesen, er musste eine fünftägige Strafhaft verbüßen. Das Gefangenenbuch bezeichnet Felber als Korbmacher, verzeichnet als Wohnort Dachau und „letzt. Aufenth. auf der Straße“[7]. 1934 und 1935 erhielt Felber fünf Haftstrafen wegen Bettelns.


Ein Fahrraddiebstahl mit fatalen Folgen

Als Berufsbezeichnung wird nun weiterhin „Korbmacher“ angeben. Anscheinend versuchte Felber jedoch im Mai 1937, durch den Diebstahl von mehreren Fahrrädern seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Am 29. Mai 1937 stahl er z.B. das Fahrrad des Ökonomiebaumeisters Josef Kölbl aus einem Wäldchen in Erdweg und fuhr damit davon. Der Wert des Fahrrads  wurde mit 50RM angegeben. In einer öffentlichen Sitzung vom Dienstag, dem 31. August 1937 beim Amtsgericht Dachau gab Felber zu, am 17. und 29. Mai jeweils ein Fahrrad entwendet zu haben, um sie zur Bestreitung seiner Bedürfnisse zu verkaufen. Der vorsitzende Richter Assessor Dr. Henle verurteilte Felber „wegen eines fortgesetzten Verbrechens des Diebstahls i.R. [im Rückfall] zu einer Zuchthausstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten“ sowie zur Übernahme der Kosten des Strafverfahrens und der Haftkosten. Außerdem ordnete er „Haftfortdauer“ an. Die Strafliste enthalte „nicht weniger als 31 Einträge“, daher sei Felber „als Berufsverbrecher anzusehen“ und das Gericht könne keine mildernden Umstände geltend machen. Da die letzte „einsatzfähige Strafe weiter als 5 Jahre“ zurücklag, wurde Felber nicht als „gef[ährlicher] Gewohnheitsverbrecher“ verurteilt.[8] Der Beginn der Strafe wurde auf den 31. August 1937 festgesetzt. Offensichtlich wurde die Untersuchungshaft, in der er bereits seit 30. Mai 1937 saß, nicht angerechnet. Am 29. November 1937 wurde Felber von Dachau über das Gefängnis Augsburg nach Kaisheim gebracht, zusammen mit einer Gruppe anderer Häftlinge. Strafantritt in Kaisheim am 30. November 1937 nachmittags um 13.00 Uhr, Strafende: 30. November 1938. Auf dem Aktendeckel von Felbers Gefangenenakte beim Zuchthaus Kaisheim ist handschriftlich vermerkt: „Vorbeugungshaft ist beabsichtigt. Nach Strafverb[üßung] der Staatl. Kriminalpolizei in München (Polizeigefängnis) überstellen.“ Seinen Wohnort gibt Felber am 30. November 1937 mit „Dachau Friedenstr. 4“ an. Er wird als 1,66 groß, von kräftiger Gestalt, mit gesunder Gesichtsfarbe und schwarzem Haar beschrieben, habe braune Augen, ein starkes Kinn. Als besondere Kennzeichen werden mehrere Tätowierungen an den Armen und der Brust aufgezählt. Felber sprach oberbayerischen Dialekt. Bei der Eingangsuntersuchung gab er an, täglich 3 bis 4 Glas Bier getrunken zu haben. Er habe die Tat aus Not begangen. Er wird als „Rückfälliger Gewohnheitsverbrecher“ eingestuft, sei vom Typ her „haltlos – willensschwach“ und die Prognose sei „zweifelhaft“. Felber selbst schreibt am 1. Dezember 1937 in Kaisheim zwei kurze Texte über sein Leben. Er schreibt, die Eltern seinen „gut gegeneinander“ gewesen und „zu gut“ zu ihm. Er sei nach dem Tod der Eltern in ein schlechtes Fahrwasser geraten. Als die Mutter starb, sei er auf Wanderschaft gegangen, dann habe er die „zweite Tat“ begangen. Die „schönste Zeit war die Jugendzeit so [lange (hier fehlt der Blattbeginn in der Kopie)] als meine Eltern lebten“. Er sei zuerst Hilfsarbeiter gewesen und dann Korbmacher geworden. Felber schreibt von zwei Strafen: die „erste“ von 1923 bis 1924 und die zweite von 1930 bis 1932 in Bernau. Hier sei er jeweils in der Korbmacherei beschäftigt worden. „Meine Zukunft und Vorsätze sind jetzt daß Ich mich gut führe und ein ordentlicher Mensch werde.“[9]


"Vorbeugende Polizeihaft"

Am 2. September 1938 teilte jedoch die Staatliche Kriminalpolizei dem Vorstand des Zuchthauses Kaisheim mit, dass man Felber nach Verbüßung der Strafhaft in „vorbeugende Polizeihaft“ nehmen wolle und bat um Mitteilung über seine Führung und darüber wann Felber wohin entlassen werde. In der Antwort wurde vier Tage später mitgeteilt, dass Felber am 28. Juni 1938 wegen Ungehorsams mit einem Tag Arrest bestraft worden sei, ansonsten sei seine Führung einwandfrei gewesen und sein Fleiß entsprechend. Felber habe erklärt, dass er sich nach der Strafverbüßung wieder an seinen früheren Wohnort in Dachau, Friedenstraße 4 begeben werde[10]. Am 23. September erhielt die Direktion des Zuchthauses die Antwort der Kriminalpolizeileitstelle München: Felber solle „als Berufsverbrecher […] in vorbeugende Polizeihaft“ genommen werden. Er solle mit dem nächsten Sammeltransport nach der Strafverbüßung an das Gefängnis des Polizeipräsidiums München verschubt werden, das BA Donauwörth sei wegen Übernahme des Transports bereits verständigt worden[11].

Tatsächlich wurde Felber am Dienstag, den 29. oder am 30. November 1938 nach Beendigung seiner Haftstrafe mit Entlassungsbescheinigung an das Polizeigefängnis München überstellt. Während der Haftstrafe im Zuchthaus war Felber „mit Papierarbeiten beschäftigt“, die Arbeitsbelohnung von 13 RM wurde an das Polizeigefängnis München überwiesen.


Tod im Konzentrationslager

Schon drei Wochen später, am 23. Dezember 1938 wurde Felber ins Konzentrationslager Dachau eingewiesen als Polizeilicher Sicherungshäftling. Als Wohnadresse ist in der Schreibstubenkarte Friedenstr. 5 angegeben.[12] Am 11. Februar 1939 wurde er zusammen mit 43 andern P.S.V.-Gefangenen ins Konzentrationslager Flossenbürg überstellt. Anton Felber, der auf dem Gefangenenfoto der JVA Kaisheim noch einen kräftigen, gesunden Eindruck macht, kann sich unter den grausamen Lebensumständen des Konzentrationslagers Flossenbürg noch etwa ein halbes Jahr am Leben halten. Doch nach sieben Monaten schreibt der Standortarzt der SS in Flossenbürg in der amtsärztlichen Bescheinigung vom 20. Oktober 1939, Felber sei am selben Tag um 8 Uhr früh im Häftlingskrankenbau des Konzentrationslagers „an Versagen des Herz- und Kreislaufapparates bei doppelseitiger Lungenentzündung“ verstorben[13]. Zwei Tage später wurde Anton Felber im städtischen Krematorium Selb eingeäschert. Die Urnen kamen in ein Sammelgrab auf dem Friedhof Selb, heute befinden sich diese in einem Gemeinschaftsgrab auf dem Friedhof Selb.[14]

Quellen:

·         Stadtarchiv Dachau, Meldekartei Anton Felber, geb. 07.05.1902, und Anton Felber, geb. 1954, Sterbebuch Anton Felber, geb. 1954

·         Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau, Häftlingsliste

·         ITS Bad Arolsen, Doc. No. 10639936#1 (Schreibstubenkarte Dachau), Doc. No. 11490579#1 und 11490344#1 (Listenmaterial Grupp PPP / Gefangenenbücher Gerichtsgefängnis Aichach), Doc. No. 11833964#1 ( Listenmaterial Gruppe PPP / Haftanstalt Augsburg), Doc. No. 9913050#1 (Listenmaterial Dachau), Doc. No. 10797069#2 (Listenmaterial Flossenbürg), Doc. No. 9892928#1 (Listenmaterial Dachau / Zugangsbuch), 10860694#1 (Individuelle Unterlagen Flossenbürg, Amtsärztliche Bescheinigung)

·         StAM AG 41126

·         StAA JVA Kaisheim Personalakt 1666

·         Archiv der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, telefonische Mitteilung an Björn Mensing vom 21.03.2014

      ·        Standesamt Wolnzach, Sterbebucheintrag Magdalena Felber

 

 

Sabine Gerhardus, Stand 25.3.2014



[1] Stadtarchiv Dachau, Meldekarte Anton Felber (Vater); StAA JVA Kaisheim Personalakt 1666, S. 33.

[2] StAA JVA Kaisheim Personalakt 1666, S. 12 (hier wird zusätzlich auch „Pfarramt Dachau“ bei den Angaben zum Schulbesuch notiert) und S. 39.

[3] StAA JVA Kaisheim Personalakt 1666, S. 26, Strafregisterauszug.

[4] StAM AG 41126.

[5] StAA JVA Kaisheim Personalakt 1666, S. 26, Strafregisterauszug.

[6] Standesamt Wolnzach, Sterbeeintrag Magdalena Felber.

[7] ITS Bad Arolsen, Doc. No. 11490579#1 und 11490344#, Listenmaterial Grupp PPP / Gefangenenbücher Gerichtsgefängnis Aichach.

[8] StAA JVA Kaisheim Personalakt 1666, S. 19f.

[9] StAA JVA Kaisheim Personalakt 1666, S. 37-40.

[10] StAA JVA Kaisheim Personalakt 1666, S. 42.

[11] StAA JVA Kaisheim Personalakt 1666, S. 43.

[12] ITS Bad Arolsen, Doc. No. 10639936#1, Schreibstubenkarte Dachau.

[13] ITS Bad Arolsen, 10860694#1, Individuelle Unterlagen Flossenbürg, Amtsärztliche Bescheinigung.

[14] Archiv der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, telefonische Mitteilung an Björn Mensing vom 21.03.2014.


Thema: Biographieprojekt (Teilprojekt3)
Autor: Sabine Gerhardus
Quelle: Quellen Diverse
Ort: Stadt Dachau